Bei uns Menschen ein ganz normaler Entwicklungsschritt, die sogenannte Fremdelphase. In dieser Phase, meist zwischen dem 4. und 8. Lebensmonat, beginnen die meisten Säuglinge ein ängstliches und misstrauisches Verhalten gegenüber fremden Personen zu zeigen. Den Höhepunkt dieser Periode haben wir Menschenkinder mit 2 bis 3 Jahren. Hast du dich vielleicht schon einmal gefragt, ob dieses Phänomen exklusiv nur bei uns Menschen auftritt? Können beispielsweise auch Hunde zum Fremdeln neigen? Was tun, wenn dein Welpe ganz plötzlich vor Dingen Angst hat, die ein paar Tage zuvor noch neugierig und entspannt begutachtet worden sind? Kann es sich dann um Fremdelphasen beim Hund handeln?
Haben Hunde Fremdelphasen?
Ja, tatsächlich. Auch Hunde kommen in diese Entwicklungsphase und können plötzlich ein ängstlich-meidendes Verhalten gegenüber Unbekanntem, aber auch bereits Bekanntem zeigen. Man spricht hier auch von den sogenannten “Spooky Periods”.
Wann diese Phase bei einem Hund erstmalig eintritt, ist je nach Rasse und Größe unterschiedlich. Im Schnitt allerdings in der 8. Lebenswoche. Zu den verschiedenen Phasen erfährst du später mehr.
Wie erkenne ich die Fremdelphasen beim Hund?
Fremde Menschen auf der Straße werden ganz plötzlich angebellt, die lebensgroße Statue im Garten deines Nachbars wird auf einmal skeptisch beäugelt und schlagartig fürchtet sich dein kleiner Liebling vor dem eigentlich schon vertrauten Staubsauger? Das sind Anzeichen, dass sich dein heranwachsender Vierbeiner in der Fremdelphase befindet.
Zusammengefasst kann man nun sagen, dass du es daran erkennst, dass sich das Verhalten deines Junghundes/deines Welpen urplötzlich verändert. Personen oder Dinge, die bis zu diesem Zeitpunkt freudig begrüßt und neugierig erforscht wurden, stellen plötzlich eine “ernstzunehmende” Gefahr dar. Bislang Gewohntes wird neu bewertet und eher misstrauisch gemustert.
Wie sich die Fremdelphasen beim Hund bemerkbar machen:
- Das Verhalten des Hundes ändert sich schlagartig.
- Ein zunächst offener, neugieriger und scheinbar furchtloser Hund entwickelt ein eher ängstlich-vermeidendes, skeptisches und schreckhaftes Verhalten.
- Dinge oder Personen werden verbellt oder angeknurrt.
- Vorsichtiges und skeptisches Verhalten gegenüber Unbekanntem.
- Bereits bekannte Personen und Dinge werden nicht wie gewohnt begrüßt, sondern neu bewertet.
- Ängstliche Körperhaltung: Eingezogen Rute, geduckte Haltung, Ohren sind angezogen, Lefze wird abgeschleckt, uvm.
- Allgemein schreckhafter und stressanfälliger.
Anmerkung: Wenn dein Liebling schon von Natur aus eher ein zurückhaltendes und scheues Wesen hat, ist es natürlich etwas schwieriger die Fremdelphase vom normalen Verhalten zu unterscheiden. Da ist deine Beobachtungsgabe gefragt. Welche Dinge oder Personen im gewohnten Umfeld deines Vierbeiners, werden plötzlich neu bewertet?

Muss ich mir Sorgen machen, wenn mein Hund zu Fremdeln beginnt?
Ein klares Nein. Dieses Verhalten ist vollkommen normal und natürlich. Es kann sogar gut für die Mensch-Tier-Beziehung sein. Indem du deinen Junghund in dieser Zeit geduldig und schützend beistehst, lernt dein bester Freund, dass er sich zu 100 Prozent auf dich verlassen kann.
Jedoch ist es wichtig in diesen Phasen achtsam mit dem Hund zu sein und ihn nicht zu vielen Reizen auszusetzten. Negative Erfahrungen, die in dieser Zeit gemacht werden, können im späteren Leben zu mehr Ängstlichkeit und Stress führen.
Welche Fremdelphasen beim Hund sind zu unterscheiden?
Nach heutigem Wissensstand gibt es insgesamt 5 Phasen. Die jeweiligen Phasen dauern ca. 1 bis 3 Wochen. Je nach Größe, Rasse und individuellem Entwicklungstempo können die unterschiedlichen Phasen etwas früher oder später in Erscheinung treten. Vor allem sehr große Rassen sind meistens Nachzügler.
- 1. Phase (Dauer ca. 1 Woche): Da diese Phase ungefähr in die 8. Lebenswoche fällt, ist es anzuraten, deinen Welpen frühestens in der 9. Lebenswoche zu adoptieren. Die Trennung von der Mutter und den Geschwistern ist ein enormer Stress für deine kleine Fellnase. Darum sollte die Abgabe nicht in die Fremdelphase fallen. Die Züchter sollten ihre Hunde kennen und den passenden Abgabezeitpunkt individuell bestimmen.
- 2. Phase (Dauer ca. 3 Wochen): Diese Phase tritt meist um die 16. Lebenswoche ein. Häufig werden Alltagsgegenstände sowie fremde Dinge und Personen als “besonders gefährlich” eingestuft.
- 3. Phase (Dauer ca. 3 Wochen): Um das 9. Monat beginnt die dritte sensible Phase, meist gepaart mit dem Eintritt der Geschlechtsreife. Hier sind vor allem starke Nerven gefragt. 😊
- 4. Phase (Dauer ca. 3 Wochen): Um das 15. Lebensmonat tritt die 4. Spooky Period ein. In dieser Zeit sind die meisten Hunde (außer sehr große Rassen) scheinbar schon erwachsen, zumindest was ihre körperliche Erscheinung angeht. Auch in dieser Phase sind Verhaltensveränderungen nicht selten zu beobachten.
- 5. Phase (Dauer ca. 3 Wochen): Zu guter Letzt, kann noch eine weitere Spooky Period um das 26. Lebensmonat herum auftreten. Wie in der 4. Phase können sich auch hier Änderungen im Verhalten zeigen.
Woher kommen die Spooky Periods beim Hund?
Diese Phasen lassen sich auf das Erwachsenwerden bei Wölfen zurückführen. In der ersten Phase kommen die Wolfswelpen das erste Mal aus der sicheren Höhle auf den Rendezvous-Platz. Mit 3-4 Monaten begleiten sie die erwachsenen Wölfe auf kurze Streifzüge und erweitern ihren Außenbereich. Mit 6-9 Monaten werden die jungen Wölfe mit auf die Jagd genommen. Etwa mit 1 -1 ½ Jahren werden sie langsam selbstständig und sind neuen Gefahren ohne die Elterntiere ausgesetzt. Mit 2-2 ½ Jahren verlassen die Jungwölfe ihre Familie, um ein eigenes Rudel zu gründen. Auch hier begegnen sie natürlich wieder neuen Gefahren.
Wie kann ich meinen Hund in der Fremdelphase unterstützen?
Wenn sich dein geliebter Hund in einer diesen Phasen befinden sollte, kannst du einiges tun, um ihm quasi unter die Pfoten zu greifen. Dein Verhalten hat nämlich einen großen Einfluss darauf, ob sich das jeweilige Verhalten deines Hundes manifestiert oder wieder vorüber geht.
Wenn du nämlich ein gewisses Verhalten- meist durch unbewusste Handlungen- bestärkst, kann es passieren, dass dein Hund auch in Zukunft ängstliches Verhalten gegenüber bestimmten Personen oder Dingen zeigen kann.
Was kannst du nun tun?
- Meide viele und vor allem neue Reize in dieser sensiblen Zeit. Jetzt beispielsweise viele neue Gassiwege auszuprobieren ist eher kontraproduktiv.
- In dieser Zeit ist Ruhe angesagt. Eine anstehende große Familienfeier in etwa, sollte etwas nach hinten verschoben werden. Achte auf genügend Schlaf und Erholung.
- Zeige Verständnis. Was nicht geht, geht nun mal gerade nicht. Versuche den Alltag gemütlich zu gestalten und keinen Frust in Lernsituationen aufkommen zu lassen. Weniger ist hier mehr. Bedenke, dass dein Hund unter Stress womöglich nicht in der Lage ist ein gewünschtes Signal umzusetzen. Er möchte dich nicht ärgern, sondern ist lediglich gerade in einer Angstsituation mit anderen Dingen beschäftigt.
- Gib deinem Hund Zeit sich mit den Dingen und Situationen auseinanderzusetzen, sich selbst auszuprobieren und sich in Ruhe damit zu befassen. Ganz ohne Druck.
- Schenke den Dingen und Personen, die als unheimlich eingestuft werden, keine große Aufmerksamkeit. Berühre die Gegenstände etwa ohne groß etwas zu sagen. so lernt auch dein kleiner Freund, dass die Dinge nicht gefährlich sind.
- Genauso wenig solltest du deine Fellnase “zwingen” sich mit den Personen oder Dingen auseinanderzusetzen. Ziehe ihn also nicht hin und locke ihn auch nicht mit Futter o.Ä. Lasse ihm Zeit sich mit den gruseligen Sachen auseinanderzusetzen und belohne ihn für das Erkunden der Dinge.
- Schimpfen oder dergleichen ist ebenfalls unangebracht. Nicht nur, dass sich dein Liebling dann vor den Dingen (womöglich auch in Zukunft) fürchtet, kommt hinzu, dass er sich auch vor dir fürchtet.
- Bei aufkommenden Problemen oder anfallenden Fragen, kannst du jederzeit eine/n qualifizierte/n TiertrainerIn kontaktieren.

Fazit
Wie auch bei Kindern können Hunde in eine sogenannte Fremdelphase kommen. Da ist es besonders wichtig, als HalterIn Ruhe zu bewahren und den Hund selbstsicher durch die 5 spooky Phasen zu begleiten. Eine große Portion Geduld und Empathie ist hier nie verkehrt. Fremdeln beim Hund ist also völlig normal und geht glücklicherweise auch wieder vorbei.